Die Wustrower Büdnereien & ihre Haustüren
Wustrow – lange Zeit Kirchdorf genannt – war ursprünglich eine bäuerliche Ansiedlung. Die Bauern waren jedoch keine freien Bauern, sondern erhielten ihr Land als Erblehen zunächst vom Kloster Ribnitz und später vom mecklenburgischen Herzog. Die Bauernstellen wurden als sog. Hufe vergeben. Eine Hufe war ursprünglich ein Flächenmaß, dessen Größe je nach Landstrich variierte. Sie sollte groß genug sein, um von einer Familie bearbeitet zu werden und diese ernähren zu können. Die Hufen wurden mit römischen Zahlen durchnummeriert. Noch heute besteht Barnstorf aus den Hufen I bis IV.
Eine Bauernstelle durfte nur an den Erstgeborenen weitergegeben werden, was in Mecklenburg im 18. Jahrhundert zu einer erheblichen Landflucht führte. Daher ermöglichte ein herzöglicher Erlass den nicht erbberechtigten Bauernsöhnen, eine kleine Nutzfläche auf Pachtbasis zu erwerben. Die Ausstattung dieser Büdnereien war vorgeschrieben – so durften Büdner beispielsweise kein Pferd besitzen – , und die Häuser erhielten ein B mit arabischer Ziffer. An etlichen Häusern in Wustrow findet man noch heute über der Eingangstür diese Bezeichnung.
Die Büdnereien der 1. Ansetzung glichen verkleinerten Bauernhäusern und bestanden aus einem Hallenhaus in Lehmfachwerkbauweise mit einem reetgedeckten Krüppelwalmdach. Typisch ist der Eingang auf der Giebelseite mit einer Klöntür sowie Fenstern rechts, links und über der Tür, damit genügend Licht auf die große Diele fällt. Zu jeder Hufe wie auch zu jeder Büdnerei gab es einen sog. Hausbrief, in dem Rechte und Pflichten des Besitzers festgehalten waren. Auch bei dem Woermann-Haus handelt es sich um eine solche Büdnerei der 1. Ansetzung. Der Hausbrief, in vielen Wustrower Büdnereien noch erhalten, existiert leider nicht mehr.
Da die kleinen Grundstücke von anfangs etwa einem bis anderhalb Hektar nicht für den Lebensunterhalt ausreichten, benötigte der Büdner einen (erlaubten) Nebenerwerb. In Wustrow fuhr er häufig zur See. Weil wohl nur ranghöhere und damit wohlhabendere Seeleute in der Lage waren, die Pacht für eine solche Büdnerei zu bezahlen, wurden ihre Häuser als Schiffsältestenhäuser bezeichnet.
1809 erfolgte eine 2. Büdner-Ansetzung. Auch jetzt gab es genaue und einheitliche Vorschriften für die Errichtung der Häuser. So mussten diese als Traufenhäuser längst zur Straße angeordnet und aus Ziegelwerk mit einem Steindach errichtet werden. 1842 wurden in Wustrow vier Hufe niedergelegt, d.h. aufgegeben, und daraus pro Hufe vier neue Büdnerstellen geschaffen. Diese entstanden entlang der heutigen Lindenstraße und der Karl-Marx-Straße. Der Eigentümer fuhr meist als Kapitän zur See, während sich die Frau um die Landwirtschaft kümmerte.
Diese Büdnereien – jetzt Schiffer- oder Kapitänshäuser genannt – besaßen zweiflügelige verzierte Eingangstüren mit Glasfenstern im oberen Teil, da der Platz für Seitenfenster nicht mehr ausreichte. Das Glas konnte durch Sprossen unterteilt oder auch farbig sein. An späteren Türen lassen sich erste Jugendstileinflüsse ablesen.
Ab 1867 konnten Büdner ihre Pachtstelle als eigenen Besitz erwerben.
Zum Schluss noch eine Fischländer Besonderheit: Der Büdner war zwar Eigentümer seines Landes, durfte es aber nicht in Teilen verkaufen oder vererben. So gehörte bis in das 20.Jahrhundert hinein relativ viel unteilbares Land zu einem Büdnerei-Grundstück, und so wurde – anders als in Ahrenshoop, das schon zu Vorpommern zählte und damit anderem Recht unterlag – lange Zeit Bodenspekulationen vorgebeugt.